Gestern habe ich mir die
Veranstaltung Gegner*innenaufklärung –
Informationen und Analysen zu Anti-Feminismus der Heinrich-Böll-Stiftung
angetan.
Es waren rund hundertsiebzig
Menschen gekommen, etwa neunzig Prozent Frauen. Auch, wenn es sich dabei
überwiegend um Mitglieder der feministischen Seilschaften gehandelt hat –
Genderprofessorinnen, universitäre Gleichstellungsbeauftragte, die Autorin
eines Gendermanifests, Mitarbeiterinnen von Dissens, die frauenpolitische
Sprecherin einer Landtagsfraktion der Grünen, ein Mann mit Abschluss in Gender
Studies –, fand ich es doch bedrückend, dass sich so viele junge Menschen
ideologisch vereinnahmen lassen.
Um es vorweg zu nehmen: Die
Veranstaltung war von erschreckender Banalität und Unbedarftheit. Argumente
hatte ich ohnehin keine erwartet, aber doch wenigstens mehr als Plattitüden. Im
Grunde ging es den ganzen Tag nur um die Frage: Wie schaffen wir es, unsere
Kritiker zum Schweigen zu bringen?
Wie immer wurden dabei alle in
einen Topf geworfen, die sich negativ gegenüber dem Feminismus äußern und damit
die fortschrittlichen Kräfte, als die die Redner sich sahen, bedrohen: Beatrix
von Storch und Birgit Kelle, AfD und „selbsternannte“ Lebensschützer, der
Väteraufbruch für Kinder und MANNdat, Akif Pirincci und „Werner“ (sic!) Kutschera.
Die Grußworte, die Henning von
Bargen vom Gunda-Werner-Institut sprach, würde ich unter der Überschrift
„Einstimmen aufs Feindbild“ zusammenfassen. Dieser Feind ist in seinen Augen
konservativ – rechts – anti-aufklärerisch. Und bürgerliche Kräfte würden sich zunehmend
autoritären Strukturen gegenüber offen zeigen.
Sebastian Scheele
Sebastian Scheele hielt dann
einen Vortrag zum Thema Von
Anti-Feminismus zu „Anti-Genderismus“? Kernthese: Der Antifeminismus
früherer Jahrzehnte sei männerzentriert und auf kleine Gruppen begrenzt
gewesen, der jetzige hingegen familienzentriert und damit von größerer
Breitenwirkung.
Scheele liebt offenbar den
inflationären Gebrauch von Adjektiven, rhetorische Floskeln („bürgerlich
heteronormative Kleinfamilie“) und andere Worthülsen. Insbesondere
„kritisch-analytisch“ fiel praktisch in jedem zweiten Satz und erinnerte mich
an das früher in ähnlicher Weise als Leerformel benutzte „Marxismus-Leninismus“
in der DDR.
Um zu begründen, dass Männer kein
Recht hätten, sich als Opfer zu fühlen, behauptete er allen Ernstes, dass es ja
in den letzten Jahren eine Aufwertung von Väterlichkeit gegeben und eine
Stärkung der Position von Vätern stattgefunden habe, dass eine Männerpolitik
etabliert worden sei – hier nannte er, kein Witz, das Bundesforum Männer –,
dass Gender Mainstreaming, obwohl 1999 als verpflichtende Aufgabe verankert,
zurückgeschraubt worden und auf Bundesebene entschlafen sei und neben Irland
und der Slowakei nur Deutschland keine entsprechenden Strukturen aufgebaut
hätte und dergleichen mehr. Und man hätte es verabsäumt, den Gegnern von Gender
Mainstreaming etwas entgegenzusetzen, und durch dieses Schweigen einem stärker
werdenden Gegenwind Raum gegeben.
Gisela Notz
Gisela Notz hielt anschließend
einen monotonen Vortrag unter dem Titel Brauchen
wir einen neuen Familismus? mit ebenso nichtssagendem Wortgeklingel wie ihr
Vorgänger („Einfluss konservativer Kreise“). Auch die zusammenhanglos an die
Wand projizierten historischen Familienbilder konnten die einschläfernde
Wirkung ihres Vortrags nicht mildern.
Unter anderem beschrieb sie
Familismus als Komplize des Patriarchats und Keimzelle des Kapitalismus und die
Kleinfamilie besonders für das Unternehmertum interessant, als arbeite nicht
gerade der Feminismus dem kapitalistischen System in die Hände, indem er nach
dem Motto „Teile und herrsche“ von den eigentlichen Ursachen sozialer Missstände
ablenkt und die Familie zerstört, um Kinder frühzeitig zu indoktrinieren und
Mann und Frau zur verfügbaren Arbeitsmasse zu machen.
Nein, sagte Frau Notz gegen Ende
der anschließenden Diskussion, sie verurteile niemanden, der in einer
Kleinfamilie lebe, möchte diese aber auch nicht bevorzugt wissen. Wie kann eine
Frau mit einer solchen Einstellung ehemals Versitzende des Bundesverbands von Pro Familia gewesen sein?
Mühsam dem Wachkoma entronnen
musste ich mich für eines von vier parallel laufenden „Panels“ entscheiden.
Mein Wahl fiel auf Angriffe auf die
Geschlechterforschung – Von wem und warum? Rednerin: Ilse Lenz.
Ilse Lenz
Diese bemühte sich, den Eindruck
zu vermitteln, sie sei zu einer differenzierten Sicht auf ihre Kritiker fähig.
So wollte sie beispielsweise Geschlechterkonservative, mit denen man reden
könne und die durchaus wertschätzend über Frauen dächten und oft für
fortschrittliche Positionen offen wären, von den bösen Antifeministen getrennt
wissen. Und, ja, selbstverständlich sei Kritik am Gender Mainstreaming erlaubt
(mehr dazu später).
Mit ironischem Unterton benannte
sie dann Aussagen von Kritikern, ohne dem eine Entgegnung hinzuzufügen, als sei
die Kritik mit der bloßen Benennung bereits zurückgewiesen. Gender
Mainstreaming sei von oben eingesetzt – haha! Gleichberechtigung müsse wieder
Chancengleichheit bedeuten – wie absurd! Gender Mainstreaming sei eine Ideologie,
man stelle sich das vor, eine Ideologie! Der Ideologievorwurf fehle nie, und
das sei doch ein Widerspruch in sich, dass eine Wissenschaft, die angetreten
sei, um Dinge zu hinterfragen, als Ideologie bezeichnet werde.
Gender Mainstreaming genüge
keinen wissenschaftlichen Kriterien, sagen die Kritiker – man würde doch
erwarten, dass dieser Vorwurf mit Beweisen untermauert werde. Merke: Nicht etwa
derjenige, der Steuergelder verbraucht, muss den Sinn seiner Arbeit nachweisen,
sondern sein Kritiker den Unsinn. Wer eine solches Weltbild sein eigen nennt,
findet vermutlich auch, dass ein der Vergewaltigung beschuldigter Mensch seine
Unschuld beweisen muss und nicht etwa das Gericht seine Schuld.
Frau Lenz erklärte Kritik gegen
Gender Mainstreaming zum Angriff auf Wissenschaftsfreiheit, und es ginge den
Kritikern um die Definitionsmacht. Überhaupt, die seien gegen Gleichstellung
als Staatsziel, die hätten wohl nicht wahrgenommen, dass das im Grundgesetz
stehe. Nein, Frau Lenz, dort ist von Gleichberechtigung
die Rede.
Was die Frage betraf, wie man
Kritik begegnen könne, so betonte sie die Wichtigkeit von Bündnissen und
Vernetzungen und kam zu dem Schluss, man hätte der Öffentlichkeit die
Potenziale und Leistungen des Genderansatzes nicht genug deutlich gemacht. Also
die übliche Strategie von Politikern: Wenn das Volk mit einer Sache nicht einverstanden
ist, muss nicht etwa die Sache überdacht, sondern nur die PR verstärkt werden.
Weitere Bonmots gefällig?
„Antifeminismus ist ein Angriff
auf Frauen.“
Über die Haltung Konservativer
zum Bildungsplan: „Kinder sollen nach deren Meinung keine sexualpädagogische
Ausbildung erfahren, das wollen die selbst machen.“
„Akif Pirincci ist aus der
Geschichte getilgt worden.“
Eine interessante Frage wurde im
Anschluss gestellt, nämlich wo Frau Lenz die Grenze zwischen legitimer und
nicht legitimer Kritik ziehe. Die Antwort: Wenn der Kritiker den Ansatz des
Gender Mainstreaming nachvollziehen und auf dieser Grundlage kritisieren würde,
wäre das in Ordnung. Mit anderen Worten: Kritik nur von Gläubigen.
Ach ja, und eine
Sozialwissenschaftlerin schwadronierte von der jahrtausendealten Diskriminierung
der Frauen, die sich so verfestigt habe, „dass man erst woanders hingehen muss,
damit es einem auffällt“. Ehrlich? Sie müssen ins Ausland reisen, um Benachteiligungen
zu merken? Davon können Männer nur träumen.
Thomas Gesterkamp
Nach der Mittagspause musste man
sich wiederum für einen von vier Workshops entscheiden. Ich ging zu Widersacher brauchen Widerworte – Wie
reagieren auf Anti-Feminismus in den Medien?, einen von Thomas Gesterkamp
gehaltenen Vortrag, der sich in banalsten Allgemeinplätzen erschöpfte.
Gesterkamp tat so, als hätten es
die Genderleute schwer, angemessen in den Medien dargestellt zu werden, und
nicht deren Kritiker. Als Journalist verteidigte er natürlich die Medien: Es
sei vielleicht Ignoranz, Ironie oder eine Kampagne, wenn negativ über Gender
berichtet würde, aber keine Verschwörung. Er empfehle, sich bei etwaigen
unangemessenen Artikeln mit positiven Leserkommentaren einzubringen. Die
Kommentarspalten würden nämlich von Kritikern geflutet werden (als würden
kritische Kommentare nicht ständig gelöscht oder gar nicht erst
freigeschaltet), dem müsse man etwas entgegensetzen.
„Lügenpresse“ sei übrigens ein
rechtspopulistischer Kampfbegriff aus der Weimarer Republik, den die Nazis
benutzt hätten. Der Gedanke, der dahinterstecke, habe zwar einen wahren Kern
(Berichterstattung zur Agenda 2010 und Ukraine), aber natürlich nicht in Bezug
auf das Genderthema.
Faszinierend auch, wie er sich
und seine Bewegung als die eigentlichen Opfer darstellte und das Verhalten von
Feministen auf deren Kritiker projizierte. Dass er schon Shitstorms und
Drohungen erhalten habe. Dass versucht wurde, seinen Wikipedia-Eintrag zu manipulieren,
und er daraufhin Leute kontaktiert habe, die regelmäßig bei Wikipedia
schrieben, wie Andreas Kemper ...
Den Rest habe ich mir geschenkt.
Sechs Stunden Plattitüden, Selbstgerechtigkeit und Ignoranz sind genug.
PS: Auch Wolle Jacobs und MannDat berichten
über die Veranstaltung.
Danke!
AntwortenLöschenIst das noch Esoterik oder schon Sekte?
Ich meine, politisch radikal wie RAF, Maoisten, Trotzkisten usw. ist es wohl nicht, weil die Genderbewegung ja einen regelrechten Mystizismus betreiben.
Definitiv Sekte.
AntwortenLöschenDu meine Güte, ich verwende normalerweise das firefox-Plug-in binnen-i-be-gone (http://binnenibegone.awardspace.com/, sehr zu empfehlen übrigens), das löscht die ganzen -*?~innen. Da verpaßt man ja ab und zu die schönsten Doppeldeutigkeiten.
AntwortenLöschenStatt Innenaufklärung sollten die Damen vielleicht mal Außenaufklärung betreiben, also sich selber mal mit etwas Distanz von außen betrachten, dann wären sie bestimmt deutlich aufgeklärter als jetzt.
Guter Tipp!
AntwortenLöschenHi Gunnar,
AntwortenLöschenvielen Dank für dein Durchhaltevermögen! ;)
Ich finde "feministische Seilschaften" auf der einen Seite richtig, auf der anderen Seite sollte man den Karriere-Aspekt und das "Netzwerk" nicht überbetonen. Ebenso den sektenartigen Charakter.
Was du schilderst ist m.E. eine halbstaatliche, teilautonome *Gender-Bürokratie*.
Du schreibst hier: "Also die übliche Strategie von Politikern: Wenn das Volk mit einer Sache nicht einverstanden ist, muss nicht etwa die Sache überdacht, sondern nur die PR verstärkt werden."
Das ist richtig.
Aber die Genderisten erfüllen *das* Kriterium eines Politikers nicht: Sie wurden NIE demokratisch gewählt.
"Gender-Mainstreaming" wurde top-down designt und durchgesetzt, die Bevölkerung wurde nie gefragt.
Von daher finde ich die von dir hier kritisierte Äußerung von Ilse Lenz:
"Überhaupt, die seien gegen Gleichstellung als Staatsziel, die hätten wohl nicht wahrgenommen, dass das im Grundgesetz stehe. Nein, Frau Lenz, dort ist von Gleichberechtigung die Rede."
ausgesprochen vielsagend.
Denn sie fühlt sich berufen ein Staatsziel zu (re-) definieren, ohne sich überhaupt durch das Grundgesetz legitimieren zu können und zu müssen.
Da weht ein undemokratischer Korpsgeist, der mich fassungslos macht.
Gruß, crumar
Da hast du natürlich völlig recht.
AntwortenLöschenWas die Seilschaften etc. betrifft, so war das, meiner Beobachtung nach, ein durchgängiges Motiv, sich zum einen gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, zum anderen aber auch nach Wegen zu suchen: Wie können wir uns noch besser vernetzen, um gegen die bösen Feminismuskritiker Front zu machen.
War der Ansatz "Gender Mainstreaming" nicht tatsächlich gedacht als Ablösung von reinen "Frauenfragen" hin zur Bestrebung, allen Geschlechtern gerecht zu werden?
AntwortenLöschenDanke für diese Beschreibung des täglichen Wahnsinns...
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